Let's talk Oral Health: Krebstherapie und häusliche Mundpflege
Patient:innen, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, insbesondere solche, die eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie zur Behandlung von Kopf- und Halskrebs erhalten, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, orale Erkrankungen wie Mukositis oder Xerostomie zu entwickeln. Die Mukositis kann so stark beeinträchtigend sein, dass einige Patient:innen ins Krankenhaus eingeliefert und über eine Sonde oder intravenös ernährt werden müssen. Die unerwünschten Wirkungen der Mukositis beeinträchtigen häufig die Compliance bei Krebstherapien und führen zu Unterbrechungen oder Abbrüchen der Behandlung, was die Überlebenschancen verringert. Die Prophylaxe und Behandlung oraler Erkrankungen ist bei der Betreuung von Krebspatient:innen von entscheidender Bedeutung. Dies erfordert einen interdisziplinären Ansatz, bei dem Zahnärzte, Dentalhygieniker, Ernährungswissenschaftler und Onkologen zusammenarbeiten für eine frühzeitige Diagnose und optimierte Versorgung, um Schmerzen zu lindern, die Ernährung aufrechtzuerhalten und das Risiko von Sekundärinfektionen zu kontrollieren.
Erfahren Sie mehr von unseren Referenten Prof. Carlo Lajolo, MD, DDS, PhD und Susan Cotten, BSDH, RDH, OMT.

Wie hängt die Mundgesundheit mit Krebstherapien zusammen?
Kopf- und Halskrebs sind eine der häufigsten Krebsarten, darunter auch Mundhöhlenkrebs, vor allem Plattenepithelkarzinome. Diese werden durch große onkologische Eingriffe behandelt. Als Spezialist für Krebserkrankungen im Kopf- und Halsbereich weist Prof. Lajolo darauf hin, wie einschneidend dies für Patient:innen ist, da sie einen Teil des Körpers betreffen, der für viele verschiedene Funktionen gebraucht wird: Sprechen, Atmen, Schmecken, Kauen und Schlucken. Die Qualität der Mundgesundheit und die Lebensqualität werden durch die Behandlung beeinträchtigt. Einer der Risikofaktoren für Mundkrebs ist, neben den Rauch- und Trinkgewohnheiten, auch eine schlechte Mundhygiene.
Als Spezialistin für Mundkrebsvorsorge betont Frau Cotten, dass die Früherkennung der Schlüssel zu den Ergebnissen und zum Überleben der Patient:innen ist. Das gesamte zahnärztliche Team kann bei der Früherkennung eine wichtige Rolle spielen. Die visuelle und taktile, extraorale und intraorale Beurteilung des Oropharynx ist der Goldstandard: gründliches Abtasten der Lymphknoten und Drüsen, Beurteilung von Anomalien der Muskulatur, der Schilddrüse oder des Schluckens, gefolgt von einer Beurteilung des weichen Gaumens, des Gaumenzäpfchens, der Gaumenmandeln, des hinteren Drittels der Zunge - wobei auf Störungen der Zungenbewegung zu achten ist - und schließlich des vorderen Teils des Mundes.
Was sind die wichtigsten oralen Erkrankungen und ihre Behandlung?
Die Speicheldrüsen werden häufig durch eine Strahlentherapie im Kopf- und Halsbereich beeinträchtigt, was zu zahlreichen Nebenwirkungen führt. Einige davon sind schwerwiegend und lebensbedrohlich, wie die Mukositis Grad 3 und 4 (WHO-Klassifikation der oralen Mukositis von 1979), oder weniger schwerwiegend, aber dennoch einschränkend, wie Hyposalivation und Xerostomie. Daher kann das zahnärztliche Team eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Krebstherapie spielen.
Orale Mukositis
In den späten 80er Jahren begann Sonis, Hypothesen zur Pathogenese der Mukositis aufzustellen, die während einer Radio- oder Chemotherapie auftreten kann und sowohl den Mund als auch den Verdauungstrakt betrifft. Die Mukositis betrifft sowohl das Epithel als auch das darunter liegende Bindegewebe und löst eine Reihe von Entzündungsmediatoren wie TNF-alpha, Interferon Gamma und viele andere aus, die zur Bildung von potenziell ausgedehnten Geschwüren führen, die die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen.
Das zahnärztliche Team begleitet Patient:innen mit Krebs von Beginn der Strahlentherapie bis zu deren Ende; in der Regel sechs Wochen später, wenn die täglichen Teilmenge von 70 Grays verabreicht werden. So können sie in Zusammenarbeit mit Onkolog:innen proaktiv gegen das Auftreten und den Schweregrad der Mukositis vorgehen, indem sie die Patien:innen frühzeitig auf eine optimale Mundhygiene einstellen, bevor die orale Mukositis überhaupt den Grad 2 erreicht. Dieser Grad erfordert eine weniger strenge Diät als Grad 4, bei dem Patien:innen parenteral ernährt werden.
Auf Fragen aus dem Publikum antwortet Prof. Lajolo, dass Patient:innen in späteren Stadien des HNO-Krebses mit hohen Strahlendosen und adjuvanter Chemotherapie und solche, die zu Beginn der Therapie Candida albicans aufweisen, die beiden Kategorien sind, die am ehesten zu einer oralen Mukositis und zu einer schweren Form davon neigen.
Außerdem können Strahlentherapeuten Bikarbonatlösungen als Goldstandard für die Behandlung der oralen Mukositis verschreiben. In einer von ihm durchgeführten Studie zeigte sich, dass die Verabreichung von gelX Oral Spray, insbesondere vor dem Ausbruch der Mukositis, auch eine Linderung ermöglicht.
Wenn Sie mehr über die orale Mukositis erfahren möchten, lesen Sie den mit Prof. Lajolo entwickelten klinischen Leitfaden hier auf sunstar.com.
Xerostomie
Krebspatient:innen haben in der Regel wenig Speichel, und die Qualität des Speichels verändert sich auch während der Strahlentherapie; er wird dicker und musköser. Die Xerostomie ist aber nicht nur auf die Strahlen- und Chemotherapie zurückzuführen, sondern auch auf Medikamente oder systemische Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck, unter denen viele dieser Patient:innen ebenfalls leiden. Daher empfiehlt Prof. Lajolo, den Speichelfluss zu messen (Basalfluss und durch Zitronensäure stimuliert) und die Symptome der Xerostomie mittels Fragebogen weiter zu untersuchen, da Patient:innen manchmal einen normalen Speichelfluss haben können, aber trotzdem eine Xerostomie empfinden. Häufig werden zuckerfreie Zitronendrops oder Xylit-Kaugummis empfohlen, um die Speichelproduktion und den Speichelfluss anzuregen. Eine weitere Empfehlung ist keine kohlensäurehaltigen Getränke zu trinken, da sie Schleim und Speichel im Mund reduzieren können. Susan Cotten fügt hinzu, dass es nichts gibt, was Xerostomie vollständig verhindern kann, aber es ist wichtig, proaktiv zu handeln, interdisziplinär zusammenzuarbeiten und frühzeitig Speichelersatzmittel zu empfehlen.
Candidose
Wenn der Speichelfluss abnimmt, verändert sich die physiologische Reinigung des Mundes, und tiefgreifende Veränderungen des Mikrobioms können das Aufkommen von Candida, einem ansonsten kommensalen Mikroorganismus der Mundhöhle, begünstigen. Ein Abstrich kann als Nachweis für eine Besiedlung durch diesen Pilz durchgeführt werden. Es gibt keine eindeutige Möglichkeit eine Besiedlung vollständig zu verhindern, aber ein frühzeitiges Eingreifen mit Medikamenten oder Probiotika kann die Entwicklung reduzieren.
Karies, Parodontalerkrankungen und Osteoradionekrose
Karies tritt typischerweise im apikalen Drittel der Zahnkrone auf. Sie ist schwer zu behandeln, da die verbleibenden Schmelz- und Dentinstrukturen nur noch wenig intakt sind und bedingt durch die fehlende Mineralisation des Speichels das Voranschreiten der Läsion auch sehr schnell passiert. Viele Patient:innen mit Krebs weisen auch einen schlechten Parodontalstatus auf, da viele sehr stark rauchen und der Alkoholkonsum ebenfalls oft sehr hoch ist. Wenn diese eine Strahlentherapie erhalten, stellt die Zahnextraktion einen Risikofaktor für eine Osteoradionekrose des Kiefers dar. Die Rolle des zahnmedizinischen Teams bei der Behandlung von Parodontalerkrankungen und Karies durch den Einsatz von Silberdiamantfluorid oder Fluoridschienen sowie bei der Anpassung der Pflege an den Krankheitsverlauf ist daher von entscheidender Bedeutung, um Zähne zu erhalten, die Notwendigkeit einer Extraktion hinauszuzögern und das Risiko einer Osteoradionekrose zu vermeiden.
Welche Art von Patient:innenmanagement verbessert die Compliance der Mundgesundheit bei Krebspatient:innen?
Nachdem das zahnärztliche Team eine gründliche Kopf- und Halsuntersuchung durchgeführt und der/die Patient:in zur Biopsie überwiesen haben, sollten die behandelnden Ärzte informiert und über die Diagnose auf dem Laufenden gehalten werden. Das ist wichtig um alle erforderlichen Restaurations-, Parodontal- oder Extraktionsbehandlungen durchführen zu können. Frau Cotten empfiehlt einen separaten Termin mit den Patient:innen um die Anweisungen zur Mundhygiene zu besprechen - Zähneputzen mit einer weichen Zahnbürste nach der Operation, Verwenden von Zahnseide und Interdentalbürsten.
Durch wöchentliche Besuche durch ein Mitglied des zahnärztlichen Teams oder durch die Anwesenheit einer Dentalhygienikerin in Onkologieabteilungen können Anpassungen der Mundpflege vorgenommen und die Lebensqualität der Patient:innen verbessert werden. Prof. Lajolo fügt hinzu, dass, da die Strahlentherapie zwei Monate nach der HNO-Operation beginnt und die Patient:innenin der Regel einen Monat nach der Operation das Krankenhaus verlassen, nur ein Monat zur Verfügung steht, um vor Beginn der Krebsbehandlung Anweisungen zur Mundhygiene zu geben und eine Parodontaltherapie und/oder Extraktionen vor Beginn der Krebsbehandlung durchzuführen. Diese Terminplanung erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem zahnärztlichen und dem onkologischen Team.
Erfahren Sie mehr und sehen Sie sich die Aufzeichnung hier an:
Let's Talk Oral Health ist eine Serie von Experten-Gesprächen. Diese spezielle Reihe konzentriert sich auf die häusliche Mundpflege aus verschiedenen Blickwinkeln. Entdecken Sie hier alle Webinare aus dieser Reihe: