Let's talk Oral Health: Kinderzahnheilkunde und häusliche Mundpflege
Der Grundstein für eine lebenslange gute Mundgesundheit wird in der Kindheit gelegt. Deshalb ist es so wichtig, bereits in dieser Lebensphase auf eine gute Mundhygiene zu achten. Allerdings handelt es sich bei Kindern auch um eine äußerst verletzliche Gruppe, die stark von ihren Eltern abhängig ist. Darüber hinaus ist diese Patientengruppe auch mit besonderen Herausforderungen für die Mundgesundheit konfrontiert, wie frühkindliche Karies, Hypomineralisierung der Backenzähne usw.
Was sind Risikofaktoren für solche Erkrankungen? Wie kann man diese verhindern? Und wenn sie auftreten, wie kann eine optimale Behandlung aussehen? Fragen, die unser Expertenduo Dr. Silvia Sabatini, RDH, MSc und Dr. Luis Karakowsky beantwortet. Beide haben zwar einen unterschiedlichen Hintergrund, aber dieselbe Leidenschaft - die Kinderzahnheilkunde.

Die Kinderzahnheilkunde befasst sich mit Kinder von der Geburt bis zum Jugendalter. In Anbetracht der enormen Veränderungen, die Kinder in dieser Zeit durchlaufen, wurde das Gespräch in drei Lebensabschnitte gegliedert:
Durchbruch der ersten Zähne bis zum Alter von 6 Jahren
Die meisten zahnärztlichen Teams werden die größte Herausforderung in dieser Altersgruppe anerkennen: Frühkindliche Karies (ECC). Dr. Karakowsky führt uns zunächst durch die Grundlagen dieser Erkrankung. Viele Jahre lang herrschte Unklarheit über die Definition, daher wurde nach Sitzungen der WHO im Jahr 2016 und der IAPD in Bangkok im Jahr 2019 eine einfache Definition festgelegt: "Das Vorhandensein von einem oder mehreren kariösen (nicht kavitierten oder kavitierten Läsionen), fehlenden oder gefüllten Zahnflächen (aufgrund von Karies) an Milchzähnen bei einem Kind unter sechs Jahren". Die IAPD entwickelte außerdem eine Klassifikation, die vier Stadien unterscheidet. Das erste ist ECC-0, was bedeutet, dass es keine Anzeichen von Läsionen vorhanden sind, gefolgt von ECC-1, das White Spots umfasst. Dr. Karakowsky: "Hier kann man bereits mit dem Remineralisierungsprozess beginnen, da dies ein Zeichen dafür ist, dass etwas nicht stimmt". Der nächste Schritt, ECC-2, beinhaltet den Abbau des Zahnschmelzes, aber die Kavität hat einen harten Boden, der sicherstellt, dass die Läsion auf den Zahnschmelz beschränkt ist. Dr. Karakowsky: "Dies ist bereits eine Kavität, also müssen wir sie auf sehr konservative Weise restaurieren, und dann können wir den Rest der Oberfläche schützen". Schließlich gibt es noch die ECC-3, bei der es sich offensichtlich um eine ernstere Form der Erkrankung handelt: "Hier ist das Problem bereits im Dentin, und manchmal ist sogar die Pulpa betroffen, so dass sich die Situation auch aus therapeutischer Sicht komplett verändert".
Auf die Frage, was ECC zu einer so einzigartigen Krankheit macht, erklärt Dr. Karakowsky: "Es handelt sich um die häufigste Kinderkrankheit; die Geschwindigkeit des Krankheitsverlaufs ist beeindruckend; sie hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Kinder und ihrer Familien, was direkt mit der Schwere der Krankheit und ihrer Behandlung zusammenhängt; und schließlich ist die Krankheit vollständig vermeidbar".
Im Hinblick auf die Primärprävention erläutert Dr. Sabatini ihre Sichtweise und geht dabei auf die drei wichtigsten Säulen ein:
- Verbesserung des Mundgesundheits-Wissens der Eltern/Betreuer und des medizinischen Fachpersonals, einschließlich Kinderärzten, Gynäkologen, Logopäden, Krankenschwestern, Hebammen usw., die bei der Betreuung der Kinder eine Schlüsselrolle spielen.
- Begrenzung des Zuckerkonsums in Getränken und Lebensmitteln und Beachtung der Häufigkeit der Zuckeraufnahme. Viele scheinbar unbedenkliche Getränke, wie Eistee oder Fruchtsäfte, enthalten viel Zucker.
- Tägliche Fluoridexposition, wobei eine erbsengroße Menge Zahnpasta mit mindestens 1000ppm empfohlen wird.
Während sich die Primärprävention darauf konzentriert, die Entstehung einer Krankheit vollständig zu verhindern, zielt die Sekundärprävention darauf ab, die Auswirkungen der Krankheit zu verringern, sobald sie sich bereits entwickelt hat. Im Falle von ECC bedeutet Sekundärprävention, das Fortschreiten der kariösen Läsion zu verhindern oder ihre Regression (Remineralisierung) der kariösen Läsion vor dem Stadium der Kavitätenbildung zu fördern. Dr. Karakowsky nennt einige Strategien und Taktiken, welche die Sekundärprävention von ECC unterstützen können:
- Frühzeitige Erkennung von beginnender initialen Kariesläsionen, wobei es entscheidend ist, dass das Kind regelmäßig die zahnärztliche Praxis aufsucht.
- Ergänzung der primären Präventionsansätze (Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz der Eltern/Betreuer, Begrenzung des freien Zuckerkonsums und der täglichen Fluoridexposition)
- Häufigere Anwendung von Fluoridlacken (4x pro Jahr), als effektivste Methode zur Remineralisierung von Zahnschmelz und Dentin.
Schließlich gibt es noch die Tertiärprävention, bei der man sich mit einem Problem befasst, das nicht mehr reversibel ist. Dies umfasst im Wesentlichen das Stoppen von kavitierten Läsionen sowie zahnerhaltende invasive oder nicht-invasive operative Maßnahmen.
Dr. Karakowsky erklärt: "Das beste nicht-operative Mittel, das wir für kavitierte Läsionen haben, ist Silberdiaminfluorid. Bei der invasiven Behandlung handelt es sich um einen sehr konservativen Ansatz zur Entfernung von Karies. Die Behandlungsentscheidung für diese Tertiärprävention muss in Verbindung mit der Kariesrisikobewertung getroffen werden".
Schwangerschaft und Säuglingsalter
Das Gespräch setzte sich mit einer Diskussion über die jüngsten Patient:innen fort: Säuglinge (auch vor ihrer Geburt). Dr. Sabatini: "Ich liebe es, so früh wie möglich mit der Prävention zu beginnen, daher ist der beste Zeitraum in den ersten Lebensmonaten oder noch besser die Schwangerschaft". Eine der Herausforderungen bei der Prävention im Säuglingsalter ist das Stillen und/oder die Ernährung mit der Flasche: "Wir müssen die Mutter bei der Auswahl der besten oder geeignetsten Babyflasche unterstützen, d. h. das Mundstück muss weich sein und sich perfekt an alle Seiten des Mundes anpassen, um eine harmonische Entwicklung des Mundes zu ermöglichen". Darüber hinaus ist es wichtig, den Mund nach dem Füttern zu reinigen, auch wenn noch keine Zähne vorhanden sind.
Dr. Sabatini hat dazu einige Tipps und Tricks: "Man kann einen weichen Silikonfingerhut oder einen sehr weichen Mikrofaserhandschuh verwenden, und wenn man keines dieser Hilfsmittel zur Hand hat, kann auch eine angefeuchtete Gaze verwendet werden. Ab dem sechsten Monat, wenn Zähne vorhanden sind, eine kleine, weiche Zahnbürste mit einer linsengroßen Menge Zahnpasta verwenden. Wenn das Baby gestillt wird, ist zu beachten, dass die Muttermilch Kolostrum enthält, welches eine hervorragende Quelle für Antikörper ist. Das bedeutet, dass der Mund des Babys nicht sofort nach dem Füttern gereinigt werden muss". Zur Information der Mutter sagt Dr. Sabatini: "Am besten wäre es, die Mutter schon während der Schwangerschaft zu informieren, damit sie nach der Geburt des Kindes darauf vorbereitet ist. Die Eltern müssen sich um viele andere Dinge kümmern, deshalb müssen die Informationen wirklich einfach sein".
Sie fährt fort: "Diese Tipps sind wichtig, um ECC vorzubeugen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass in dieser Lebensphase auch andere Krankheiten auftreten können. Zum Beispiel Candida. Candida kommt häufig vor, kann aber eine pathologische Erkrankung verursachen, die Rötungen hervorruft, vor allem jedoch ein schmerzhaftes Brennen. Das Baby kann unruhig werden und nicht mehr gut essen, daher müssen Eltern sich dessen bewusst sein. Auch hier ist die Reinigung des Mundes von entscheidender Bedeutung.
Candidiasis kann durch regelmäßige Reinigung des Mundes verhindert werden, wiederum mit einem Silikon-Fingerhut, einem Mikrofaserhandschuh oder einer Gaze". Aber es gibt noch mehr, was Eltern tun können: "Babynahrung kann einen höheren Zuckergehalt haben, und wir müssen bedenken, dass Zucker eine Pilzinfektion begünstigen kann".
Dr. Karakowsky kommt auf die ECC zurück und nennt vier Ernährungsgewohnheiten, die Risikofaktoren darstellen: "Erstens die frühe Einführung von Saccharose, da der frühe Genuss von Zucker das spätere Verhalten und die Lebensmittelpräferenz von Kindern stark beeinflusst. Die zweite risikobehaftete Ernährungsgewohnheit für ECC ist die hohe Häufigkeit der Nahrungsaufnahme, und die dritte ist der unsachgemäße Gebrauch der Flasche, oder besser gesagt, was in der Flasche ist (mit natürlichem oder zugesetztem Zucker). Schließlich gibt es die verlängerten und hochfrequenten Stillgewohnheiten".
6 Jahre und älter
Eine Erkrankung, mit der sich Zahnmediziner:innen in dieser Altersgruppe auseinandersetzen müssen, ist die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH). Dr. Karakowsky erklärt die Grundlagen: "Anders als bei Karies handelt es sich nicht um eine lebensstilbedingte Erkrankung, sondern um etwas, das während der Entwicklung der bleibenden Zähne auftritt. MIH ist multifaktoriellen Ursprungs mit einer möglichen genetischen Komponente, welche die Prophylaxe sehr erschwert. Es betrifft hauptsächlich die bleibenden Molaren und häufig auch die bleibenden Schneidezähne, kann aber auch die zweiten Milchmolaren betreffen.
Es ist wichtig, diese Krankheit in einem frühen Stadium zu behandeln: "Ein sehr interessanter Behandlungsplan für MIH ist das, was wir als schützende Restauration bezeichnen, eine temporäre Behandlung, die den post-eruptiven Zusammenbruch verhindert. Sie verhindert auch Kariesläsionen in der Zukunft, aber wir müssen bei der Eruption zur Stelle sein". Die Prävalenz ist ebenfalls hoch und liegt weltweit bei knapp 20%. Dr. Sabatini fährt mit einem klinischen Beispiel aus ihrer eigenen Praxis fort: "Diese Patientin hat eine MIH an den vier Backenzähnen, und vor dem COVID-19-Lockdown habe ich sie alle drei oder vier Monate zur professionellen Mundhygiene und einmal im Monat zur Anwendung eines Fluoridlacks gesehen. Während des Lockdowns konnte ich sie drei Monate nicht behandeln und der Zustand der Zähne hat sich eindeutig verschlimmert. Jetzt ist sie zu einem professionellen Mundhygieneplan zurückgekehrt, der die monatliche Anwendung eines Fluoridlacks und die tägliche Anwendung einer remineralisierenden Paste zu Hause vorsieht. Aber auch die professionelle Behandlung in der Zahnarztpraxis ist wichtig, um zu verhindern, dass sich der Zustand verschlimmert. Neben häufigen Zahnarztbesuchen sollten Eltern zu Hause auf Farbveränderungen oder Dimensionen der Zähne achten, da diese frühe Indikatoren für MIH sein können.
Dr. Karakowsky betont erneut, dass man bei der Restauration von Zähnen mit MIH konservativ vorgehen sollte, da das während der Restauration entfernte Gewebe unwiderruflich verloren ist.
Eine weitere Erkrankung, die bei Jugendlichen beobachtet wird, sind White Spots, die häufig während einer kieferorthopädischen Behandlung auftreten. Dr. Sabatini unterstreicht erneut die Bedeutung der Mundhygiene: "Es ist wichtig, bei der häuslichen Mundhygiene einen angemessenen, maßgeschneiderten Ansatz zu verfolgen, der die spezifische Situation der Patient:innen berücksichtigt. Die Reinigung umfasst sowohl das Zähneputzen als auch die Interdentalreininung, da Karies – und auch Gingivitis, was wir nicht vergessen dürfen – häufig in den Interdentalräumen beginnt. Es ist daher entscheidend diese Bereiche gut zu reinigen.
Die Wahl der Zahnpasta muss unter Berücksichtigung der spezifischen Situation getroffen werden. Wie bereits erwähnt, ist bei Demineralisierung eine fluoridhaltige oder generell remineralisierende Zahnpasta unerlässlich. Bei Gingivitis kann eine Chlorhexidin-Mundspülung hilfreich sein. Außerdem sollten wir nicht vergessen, die Zungenreinigung durchzuführen“.
Let's Talk Oral Health ist eine Serie von Experten-Gesprächen. Diese spezielle Reihe konzentriert sich auf die häusliche Mundpflege aus verschiedenen Blickwinkeln. Entdecken Sie hier alle Webinare aus dieser Reihe: