
Die größte Herausforderung bei der kieferorthopädischen Behandlung - die häusliche Zahnpflege und wie man diese löst
Jeder Zahnmediziner weiß, dass gute Gewohnheiten für den Erfolg bei der häuslichen Zahnpflege entscheidend sind. Und ebenfalls, dass die Herausforderungen bei der häuslichen Zahnpflege für Patient:innen die sich in einer kieferorthopädischen Behandlung befinden, noch größer sein können.

Es ist schon herausfordernd genug, Patient:innen zur Einhaltung eines vollständigen Mundpflege-Rituals inklusive der richtigen Zahnputz-Technik zu bewegen. Kieferorthopädische Apparaturen machen die Sache noch komplizierter und können eine Reihe zusätzlicher Überlegungen erforderlich machen.
Diese Herausforderungen bei der häuslichen Pflege während einer kieferorthopädischen Behandlung, waren Thema des jüngsten Webinars „Let's Talk Oral Health“ von SUNSTAR, bei dem Dr. Martijn Verhulst (SUNSTAR Medical Liaison Manager) zusammen mit den Kieferorthopädie-Experten Alina Fintineanu aus Kanada und Prof. Maria Cadenas de Llano Perula aus Belgien ausführlich besprochen hat.
Das Webinar können Sie sich gleich hier ansehen, oder weiter unten die wichtigsten Highlights und Erkenntnisse nachlesen.
Die Auswirkungen der KFO-Behandlung
In der Diskussion wurde deutlich, dass sowohl Frau Fintineanu als auch Prof. Cardenas ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben. Sie räumten zwar ein, dass Zahnspangen und andere Apparaturen für viele Patient:innen (im wahrsten Sinne des Wortes) ein heikles Thema sein können, zweifelten aber nicht an dem enormen Wert dieser Behandlungen für eine langfristige Mundgesundheit.
Die persönlichen Erfahrungen, die Frau Fintineanu in ihrer Jugend gemacht hat, haben ihren beruflichen Werdegang geprägt. Sie sagte, sie habe als Kind „wirklich schlechte Zähne“ gehabt und mit 16 Jahren eine Zahnspange bekommen. „Das Schlimmste, was mir passiert ist - ich wollte nicht mehr lächeln."
Dann bemerkte sie das Ergebnis. „Als ich sah, wie sich meine Zähne begradigten, wie viel Selbstvertrauen ich bekam und wie mein Selbstwertgefühl wuchs - das hat mein Leben stark verändert“, sagt sie. Frau Fintineanu fügte hinzu, dass sie jetzt immer mehr erwachsene Patient:innen mit Zahnspangen behandelt. Es erfüllt sie sehr zu sehen, wie sich deren Selbstvertrauen verändert.
Um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, müssen jedoch die richtigen Maßnahmen und bewährten Verfahren zu Hause umgesetzt werden. Und das beginnt mit der Reinigung und Pflege der Apparaturen selbst.
Reinigung und Pflege kieferorthopädischer Apparaturen zu Hause
Die Expertinnen gaben einige Ratschläge für drei gängige Arten von kieferorthopädischen Apparaturen: transparente Aligner, festsitzende Zahnspangen und feste Expander.
Reinigung von Alignern
„Aligner werden sehr oft vergessen, wenn es um die Reinigung der Zähne während einer kieferorthopädischen Behandlung geht“, sagt Frau Fintineanu. „Es ist allgemein bekannt, dass einer der großen Vorteile einer kieferorthopädischen Behandlung mit transparenten Alignern darin besteht, dass die Zähne leicht sauber gehalten werden können. Das Problem ist aber, dass Patient:innen während der Behandlung mit Alignern ein leicht erhöhtes Kariesrisiko haben.“
„Was fehlt, wenn die Aligner auf den Zähnen sitzen, ist die Speichelwirkung. Es ist also sehr wichtig, den Patienten zu vermitteln, dass sie vor einer Mahlzeit die herausnehmen, und nach dem Essen sowohl die Zähne als auch die Aligner putzen müssen.“
Die Notwendigkeit, die Aligner selbst zu putzen, ist für Patient:innen nicht immer offensichtlich. „Manchmal sind sie überrascht, dass sie ihre Aligner putzen müssen“, so Prof. Cardenas. „Das ist so, als ob man duscht, aber seine Kleidung nicht wäscht.“
Wenn die Patient:innen über die Reinigung der Aligner beraten werden, sollte aufgezeigt werden dass mit einer Zahnbürste oder Bürste alle Bereiche der Schneidekanten und Höckerspitzen erreicht werden müssen um Plaque und Ablagerungen zu entfernen. Dabei sollte keine Zahnpasta für die Reinigung der Aligner verwendet werden, da deren abrasive Zusammensetzung Mikrokratzer verursachen kann.
Ein zusätzlicher Tipp von Frau Fintineanu: Patient:innen mit erhöhtem Kariesrisiko sollten abends vor dem Schlafengehen mit fluoridhaltiger Zahnpasta putzen und dann die Aligner ohne zusätzliches Ausspülen des Zahnpastaschaums einsetzen, um zusätzlichen Karies-Schutz zu erhalten.
Reinigung von festsitzenden Apparaturen
Es gibt viele verschiedene Arten von festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen, die in unterschiedlichen Bereichen des Mundes eingesetzt werden können: bukkale und linguale Apparaturen an den Zähnen, festsitzende Expander im Oberkiefer, festsitzende Retainer und so weiter.
„Generell sollte man bei jeder Art von festsitzenden Apparaturen sehr gründlich vorgehen, um sicherzustellen, dass keine Essensreste zurückbleiben, aber auch sehr vorsichtig sein, damit sich keine der Apparaturen löst“, so Prof. Cardenas. Ihre konkreten Empfehlungen lauten wie folgt:
- Bukkale Apparaturen: Zusätzliche Hilfsmittel wie intermaxilläre Gummibänder oder Wachs sollten vor dem Putzen entfernt werden. Zum idealen Erreichen der Brackets und Bänder, sollte die Zahnbürste im 45-Grad-Winkel (modifizierte Bass-Technik) angesetzt werden. Eine Interdentalbürste kann helfen, schwierige Bereiche unter den Drähten zu erreichen.
- Linguale Apparaturen: Obwohl Karies auf der lingualen Seite der Zähne weniger wahrscheinlich ist - zum Teil wegen der Reinigungsfunktion der Zunge - ist es dennoch wichtig, die dort befindlichen Apparaturen als auch die Zähne sorgfältig zu reinigen. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass auch die letzten Backenzähne erreicht werden.
- Feste Expander: Eine Interdentalbürste kann laut Prof. Cardenas eines der besten Hilfsmittel für die effektive Reinigung von Expandern sein. Modelle mit einem längeren Griff ermöglichen hierbei auch das problemlose Erreichen der hinteren Bereiche und tiefen Winkel.
- Feste Retainer: Personen mit festen Zahnspangen haben ein höheres Risiko für Plaque-Retention. Hier sollte eine gründliche Reinigung mit einer Zahnbürste und einem Interdentalreiniger gefördert werden. Bei der kieferorthopädischen Betreuung von Patient:innen sollte bei jedem Besuch geprüft werden, ob sich die festsitzenden Apparaturen/Brackets an einem oder mehreren Zähnen gelöst hat.
Auch mit einer kieferorthopädischen Apparatur sollten Patient:innen in der Lage sein, jeden Bereich ihres Mundes zu reinigen, auch wenn es manchmal ein wenig mehr Zeit und Sorgfalt erfordert. Wenn Patient:innen Schwierigkeiten haben, zwischen den Zähnen zu putzen, sollte mit einer Sonde geprüft werden, ob überschüssige Klebematerialien die Interdentalräume blockieren.
Vermeidung von White-Spot-Läsionen und Entkalkung
Jeder Kieferorthopäde ist mit White-Spot-Läsionen vertraut. „Ich würde gerne in einer Welt leben, in der es diese Läsionen nicht gibt“, sagt Prof. Cardenas, “denn sie sind ein Alptraum für Patienten aber auch für Zahnärzte.“
Verschiedene Studien zeigen allerdings, dass White-Spot-Läsionen bei Patient:innen, die sich einer kieferorthopädischen Behandlung unterziehen, relativ häufig auftreten. Ursache sind Plaqueansammlungen - oft aufgrund unzureichender Mundpflege - und von Bakterien besiedelt wird, die Säuren bilden, die wiederum zur Demineralisierung führen. Die White-Spot-Läsionen weisen eine kreideartige Farbe auf, die heller ist als der Zahnschmelz.
In Bezug auf White-Spot-Läsionen waren sich beide Expertinnen einig: Prävention ist der Schlüssel.
Es gibt zwar Studien über Methoden und Verfahren zur Förderung der Remineralisierung und zur Bekämpfung von White-Spot-Läsionen, aber die Erkenntnisse sind widersprüchlich und unklar. „Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob diese funktionieren oder nicht“, sagte Prof. Cardenas, “die Botschaft bleibt also: Die Vermeidung von White-Spot-Läsionen ist das Ziel.“
Bestimmte Faktoren wie Anatomie, Histologie und Genetik können dazu führen, dass Patient:innen anfälliger für die Entwicklung von White-Spot-Läsionen sind, aber in allen Fällen sind die grundlegenden bewährten Praktiken der häuslichen Mundpflege die beste Prävention. Die strikte Einhaltung der oben genannten Reinigungsrichtlinien und der Verzicht bzw. die Reduktion von zuckerhaltigen Getränken und Lebensmitteln sollten die Grundpfeiler sein.
Besonders wichtig ist es auch, so Fintineanu, in den frühen Phasen der kieferorthopädischen Behandlung auf eine proaktive Pflege hinzuweisen. Sie zitiert Statistiken, die zeigen, dass White Spots sich bereits nach vier Wochen entwickeln können.
Die Gefahren von White-Spot-Läseionen müssen klar und deutlich dargestellt werden, um Patient:innen zu motivieren. Obwohl sowohl Prof. Cardenas als auch Frau Fintineanu die Idee der „Panikmache“ für bedenklich halten, ist es nicht verkehrt, die Folgen klar zu benennen.
„Einer meiner Professoren hat mir einmal gesagt, dass alle Informationen, die man einem Patienten vor der Behandlung gibt, Informationen sind, und alles, was man sagt, nachdem man die Spange entfernt hat, sind Ausreden“, sagte Frau Fintineanu. „Wir können es Angstmacherei nennen, aber es ist die reine Wahrheit.
Hypertrophe/hyperplastische Gingiva
Diese Erkrankung des Zahnfleisches war der letzte Themenpunkt des Webinars. Es handelt sich um eine Vergrößerung des Zahnfleisches, die auf zwei Hauptursachen zurückzuführen ist:
- Hypertrophe Gingiva: Größere Zellen im Zahnfleischgewebe.
- Hyperplastische Gingiva: Größeres Volumen an Zellen im Zahnfleischgewebe.
In beiden Fällen handelt es sich um etwas, das Patient:innen stören und beunruhigen kann. Auch hier ist die Hauptursache in der Regel die Ansammlung von Plaque, die zur Besiedlung mit Bakterien führt. Es gibt jedoch mehrere andere Faktoren, die bei diesem Zustand ebenfalls eine Rolle spielen können:
- Einnahme von Asthma-Medikamenten
- Hormonelle Veränderungen (häufig bei jugendlichen Patienten und schwangeren Frauen)
- Mundatmung
- Andere Zahnkrankheiten wie Amelogenesis imperfecta
Arbeiten Sie deshalb sorgfältig daran, die Ursache für hypertrophe oder hyperplastische Gingiva bei Patient:innen zu verstehen. Gehen Sie nicht davon aus, dass eine schlechte Mundpflege dafür verantwortlich ist, denn die Betroffenen könnten sich schuldig fühlen, obwohl der Zustand nicht hätte vermieden werden können. Dies ist besonders wichtig, da ein großer Prozentsatz der Patient:innen in einer kieferorthopädischen Behandlung sich auf dem Höhepunkt der hormonellen Umstellung befinden - Teenager!
Wir danken Frau Fintineanu und Prof. Cardenas für die Teilnahme an diesem Webinar und für ihre hilfreichen Einblicke in das Thema. Wir hoffen, dass die Tipps und Ratschläge Ihnen und Ihren Patient:innen helfen, Strategien für eine umfassende kieferorthopädische Versorgung zu Hause zu entwickeln.