März 16, 2022 - Min LesedauerMin Lesedauer

Linderung der Dentinhypersensibilität

SUNSTAR CONVERSATIONS PRO

Inhalte

SUNSTAR Conversations PRO ist eine Serie von Gesprächen mit führenden Experten aus dem Bereich Mundgesundheit, die den Herausforderungen der Mundgesundheit in verschiedenen Lebensabschnitten gewidmet ist.

Die 4. Ausgabe, die am 3. Juni 2021 stattfand, befasste sich mit der Dentinhypersensibilität als gesundheitliche Herausforderung, das sich mit den neuen Herausforderungen bei jungen Erwachsenen einstellen kann. Um an den Kern des Problems zu gelangen, haben wir Dr. Reena Wadia und Dr. Joon Seong gebeten, ihre Gedanken mit uns zu teilen.

 

Die Definition

Die häufigste Definition der Dentinhypersensibilität stammt von Holland et al. aus dem Jahr 1997. „Dentinhypersensibilität ist durch einen kurzen, scharfen Schmerz charakterisiert, der aus freiliegendem Dentin als Reaktion auf Reize, typischerweise thermische, Verdampfungs-, Berührungs-, osmotische oder chemische Reize, resultiert. Die Hauptkomponente der Definition, und das ist wichtig zu betonen, ist, dass sie keiner anderen Form eines Zahndefekts oder einer Zahnerkrankung zugeschrieben werden kann“, wie Dr. Wadia definiert. Dr. Seong erinnert daran, dass selbst nur geringfügig freiliegendes Dentin – häufig am zervikalen Randbereich des Zahns – eine sehr hohe Empfindlichkeit verursachen kann. Dentinhypersensibilität beeinträchtigt, das wurde in vielen Studien gezeigt, die Lebensqualität der Patienten.

Dentinhypersensibilität ist ein kurzer, scharfer Schmerz, der bereits durch eine kleine Dentin-Exposition entstehen kann.

Die Prävalenz

Bei einer großen Studie zur Prävalenz-Studie, die 2010 an jungen Erwachsenen aus 7 verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt wurde, lag die Prävalenz im vereinigten Königreich bei etwa 42 %. Ungefähr 28 % hatten eine milde Zahnabrasion und 3 % wiesen schwerwiegende Abrasionen auf, jeweils gemessen mit dem BEWE-Index. Alle Patienten mit Parodontitis haben, entweder vor oder nach der Behandlung, empfindliche Zähne aufgrund von Parodontitis und Wurzelexposition. Gelegentlich denken Patienten Dentinhypersensibilität ist etwas, mit dem sie leben und das sie hinnehmen müssen. „In Anbetracht, dass sie so häufig ist und dass wir helfen können, sollten wir alle unsere Patienten fragen, ob sie empfindliche Zähne haben“, empfiehlt Dr. Wadia.

Dentinhypersensibilität ist weitverbreitet, wird aber manchmal übersehen.

Die Differenzialdiagnose

Die korrekte Diagnosestellung ist selbstverständlich von entscheidender Bedeutung, bevor wir eine Behandlung einleiten. Die Diagnose der Dentinhypersensibilität verläuft nach dem Ausschlussprinzip, nachdem Sie alles andere untersucht haben: Zahnfraktur, fehlerhafter Restaurationsrand oder Karies usw. Zahnabrasion, Wurzelexposition und stark säurehaltige Nahrung sind allesamt Hinweise auf Dentinhypersensibilität.

Die Ätiologie und Risikofaktoren

„Es gibt 2 Komponenten beim Verständnis der Dentinhypersensibilität und daher auch ihrer Behandlung: die Lokalisierung der Läsion und der Beginn der Läsion“, erklärt Dr. Seong. Die Lokalisierung der Läsion bedeutet, dass das Dentin freiliegen muss. Entweder durch Verlust von Weichgewebe, etwas durch eine parodontale Erkrankung, oder auch bei jungen Erwachsenen durch eine kieferorthopädische Behandlung. Für sich allein betrachtet, ist freiliegendes Dentin nicht die Ursache der Überempfindlichkeit. Es muss auch eine beginnende Läsion gegeben sein: Die Dentinkanälchen (Tubuli) müssen offen und durchgängig sein, wozu es durch Säurebelastung kommt. Intrinsische Säure und zum größeren Teil eine Dyspepsie (die sich auf Symptome des oberen Gastrointestinaltrakts bezieht und für mehr als 4 Wochen anhält sowie Bauchschmerzen, Unwohlsein, Sodbrennen, Säurereflux, Übelkeit, Erbrechen) werden mehr und mehr zu einem Problem „Patienten wissen manchmal gar nicht, dass sie Sodbrennen oder Magensaftreflux haben. Wenn wir aber Anzeichen davon in bestimmten Bereichen sehen, etwa palatinal an den Oberkieferzähnen, sollten wir mit Allgemeinmedizinern zusammenarbeiten und an den Hausarzt überweisen. Heute geht es darum, Patienten ganzheitlich zu behandeln und mit einem multidisziplinären Team zusammenzuarbeiten, um ihre Probleme anzugehen“, sagt Dr. Wadia.

Dentinhypersensibilität tritt ein, wenn eine Lokalisierung und der Beginn einer Läsion vorliegen.

Die Behandlung im häuslichen Umfeld

Hervorzuheben ist, dass die Dentinhypersensibilität effektiv vermeidbar ist. Und ihre Prävention ist wichtiger als ihre Behandlung.

Ernährungsberater und andere Angehörige der Gesundheitsberufe empfehlen 5 oder 7 Portionen von Obst und Gemüse pro Tag . Seit 1980 ist es zudem zu einem 3-fachen Anstieg bei der Aufnahme von alkoholfreien säurehaltigen Getränken sowie einer Zunahme bei den Portionsgrößen gekommen. Zusammen mit der Veränderung bei der Ernährung sehen wir wahrscheinlich auch einen Anstieg in der Inzidenz der Dentinhypersensibilität. Aus diesem Grund ist es wichtig, präventive Strategien für alle Patienten einzusetzen.

Die Behandlung besteht dann aus einem stufenweisen Vorgehen. Die erste Linie der Behandlung bilden die zu Hause verwendeten Zahnpasten.

Da die hydrodynamische Theorie zur Beschreibung der Fluidbewegung in den Dentintubuli, die dann die Überempfindlichkeit verursacht, nach wie vor die gängige Theorie ist, gibt es 2 Wege zur Behandlung der Dentinhypersensibilität: Nervdesensibilisierung oder tubulärer Verschluss (oder Versiegelung). Für die Nervdesensibilisierung werden herkömmlicherweise kaliumbasierte Zahnpasten verwendet. Auch wenn klinische Forschungsdaten belegen, dass sie wirksam sind, so weiß doch niemand, wie sie tatsächlich wirken. In die Flüssigkeit, die aus den Dentintubuli austritt, dringt Kalium schwerlich ein und es kommt kaum zu einer Konzentrierung darin. Heute ist der weitläufig akzeptierte Ansatz der tubuläre Verschluss (Okklusion), wozu eine Zahnpasta mit Strontiumacetat, Zinnfluorid, Kaliumoxalat, Calcium-/Natrium-Phosphosilicaten oder Arginin verwendet wird. „Um das Merkmal klinisch erprobt beanspruchen zu können, müssen Zahnpasten in randomisierten kontrollierten Studien untersucht werden. Hier wird das Schmerzniveau des Patienten als Scorewert (mithilfe einer Eis-Sonde), die Reaktion der Patienten auf den Schmerz in der Wahrnehmung des Zahnarztes (mittels des Index auf der Schiff-Skala) sowie die Reaktion auf einen taktilen Stimulus (mithilfe einer Yeaple-Sonde, einem scharfen gewichteten elektromagnetischen Instrument) bewertet. Wenn diese 3 Messparameter korrelieren, ist es statistisch signifikant“, erläutert Dr. Seong.

Die Behandlung ist eine stufenweise, maßgeschneiderte, lebenslange Vorgehensweise zur Nervdesensibilisierung, zum tubulären Verschluss oder zur Abdeckung des freiliegenden Dentins, zusammen mit einfachen klinischen Tricks und Empfehlungen.

Dr. Seong tendiert dazu, den Patienten zu empfehlen, verschiedene Zahnpasten auszuprobieren, um festzustellen, welche bei ihnen am besten funktioniert. Dr. Wadia fügt an: „Es ist wirklich wichtig, dass wir auch die richtige Beratung geben: Patienten sollten die Anwendung langfristig fortsetzen, damit die Effekte nicht nachlassen. Und einfache Hinweise wie ,Nicht ausspülen nach dem Zähneputzen, sonst wird es mit ausgespült‘ mögen für uns vielleicht offensichtlich sein, aber eventuell nicht für die Patienten.“

Die professionelle Behandlung und klinische Tipps

Wenn Zahnpasten nicht wirksam sind, gibt es als nächste Option professionell aufgetragenen Produkte: Bonding, Restauration, Komposite, um das freiliegende Dentin zu bedecken. Es gibt weitere vorgeschlagene Behandlungen wie den Laser, aber nach Ansicht unserer Experten ist die Evidenzlage hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht ausreichend. Nach den Beobachtungen von Dr. Seong kann es bei Exposition des Dentins gegenüber einem Laser tatsächlich zu einer Verbrennung und zum Verschluss des Dentins kommen. Der periphere Anteil des Dentins, der nicht vom Laserstrahl getroffen wird, könne jedoch tatsächlich weiter geöffnet werden und das bedeutet, dass sich die Symptome der Dentinhypersensibilität verschlimmern könnten.

Nach der parodontologischen Behandlung wendet Dr. Wadia gerne eine Air-Polishing-Behandlung an, mit einer die Tubuli versiegelnden Paste auf den Zähnen oder Schaumschalen mit hohem Fluoridgehalt. Sie teilt auch ihre Erfahrungen aus ihrer eigenen parodontologischen Überweisungspraxis mit: „Wenn ich Patienten für eine parodontologische Erhaltungsbehandlung im Stuhl sitzen habe, ist es eine knifflige Situation, wenn Sie sie nicht mit Lokalanästhetika betäuben wollen. Aber es gibt einfache Tipps und Tricks, etwa das Auftragen einer prophylaktischen Paste auf dem Zahn, um die Dentinkanälchen für eine ausreichende Zeit zu verstopfen, damit eine einfache professionelle supragingivale Plaqueentfernung durchgeführt werden kann. Wir müssen unseren Patienten zeigen, dass wir uns um sie kümmern, sowie sicherstellen, dass sie sich wohl und verstanden fühlen. Menschen mit empfindlichen Zähnen sind immer nervös, weil sie schon auf diesen kurzen scharfen Schmerz warten. Auch das Angstmanagement ist wichtig und die psychologische Dimension.“

Die Experten beantworteten auch einige Fragen von Webinar Teilnehmern. Lacke mit hohem Fluoridgehalt können zur sofortigen Linderung verwendet werden. Auch wenn das Fluorid relativ schnell zu einem physikalischen Verschluss führt, ist dieser Verschluss nicht dauerhaft stabil. Damit eine Behandlungsmodalität funktioniert, muss die Schicht stabil genug sein, um der Säurebelastung, der die Patienten ihre Zähne aussetzen, standzuhalten. „Bei Betrachtung auf mikroskopischer Ebene sieht man, dass viele Lacke sich direkt nach Behandlung mit einer Säure ablösen. Es gibt andere oxalatbasierte Lacke, die innerhalb der Dentinkanälchen kristallisieren und die Bewegung der Flüssigkeit stoppen, und dadurch auch die Dentinhypersensibilität“, sagt Dr. Seong.

Zu elektrischen Zahnbürsten sagen unsere Experten, dass bei unsachgemäßer Anwendung jede Art von Zahnbürste eine Rezession und daher empfindliche Zähne verursachen kann. Das zahnärztliche Team muss deshalb den Patienten zeigen, wie elektrische Zahnbürsten ordnungsgemäß benutzt werden: schonend, aber wirksam. Forschungsergebnisse zeigen, dass eine elektrische Bürste tatsächlich seltener eine Schädigung des Hartgewebes oder eine Gingivarezession verursacht. Eine Zahnbürste allein verursacht keine Zahnabrasion: Es sind die Zahnputzroutine und die abrasive Zahnpasta, die zusammen eine Zahnabrasion von minimalem Ausmaß verursachen, die durch vorherige Aufnahme von Säure potenziert wird. Schließlich ist auch das Spülen mit Wasser nach Aufnahme von säurehaltigen Nahrungsmitteln oder 30-minütiges Warten nach einer Mahlzeit eine klinisch bedeutsame Empfehlung, die gegeben werden sollte, um dem Mund die Zeit zur Wiederherstellung des korrekten pH-Werts zu geben. Tatsächlich konnte in einer Studie gezeigt werden, dass durch Behandlung mit Säure sämtliche Calcium- und Phosphationen entfernt werden. Wenn man es in Ruhe lässt, wird das verbliebene Gerüst innerhalb von 24 Stunden remineralisiert; wenn aber zusätzlich noch die Zähne geputzt werden, wird auch die Gerüstsubstanz entfernt und der Zahn kann nicht wieder in den Zustand remineralisiert werden, den er zuvor hatte.

Wenn Sie den Experten zuhören möchten, können Sie das gesamte Webinar hier ansehen.

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