März 16, 2022 - Min LesedauerMin Lesedauer

Schwangerschaft und Mundgesundheit

SUNSTAR CONVERSATIONS PRO
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Jeden Monat erörtern wir die Herausforderungen der Mundgesundheit in verschiedenen Lebensphasen, beginnend mit der Schwangerschaft im März, gefolgt von der Kindheit im April.

Am 4. Mai 2021 haben wir die dritte Ausgabe der SUNSTAR Conversations PRO-Webinarreihe veranstaltet; sie befasst sich mit der Lebensphase der Teenager. Gemeinsam mit Kristy Menage Bernie, RDH, MS, RYT, und Dr. Mário Rui Araújo, RDH, wollten wir herausfinden, wie wir sowohl die grundlegenden als auch die verhaltensbedingten Herausforderungen der kieferorthopädischen Behandlung bei Teenagern überwinden können, indem wir sie in eine Chance verwandeln.

Der Einfluss der Schwangerschaft auf die Mundgesundheit

Bereits Anfang der 1960er-Jahre wurde von Silness und Löe erkannt, dass eine Schwangerschaft einen Einfluss auf die Mundgesundheit, insbesondere auf die parodontale Gesundheit haben könnte. Professor Geisinger erläutert: „Selbst bei Patientinnen, die keine vermehrte Anhäufung von dentalem Biofilm haben, scheint es vermehrt zu Entzündungen zu kommen. Üblicherweise nimmt dies im Verlauf der Schwangerschaft zu, im zweiten und dritten Trimester werden der Höchststand und eine Plateauphase erreicht, bevor es nach der Entbindung üblicherweise wieder zurückgeht.“

Professor Madianos fügt hinzu: „Tatsächlich wird die verstärkte entzündliche Reaktion bei schwangeren Frauen vor allem durch den erhöhten Hormonspiegel hervorgerufen.“ Er fährt fort: „Es ist wichtig zu wissen, dass durch eine Schwangerschaft allein eine Gingivitis nicht unbedingt zu einer Parodontitis wird. Allerdings, wenn Frauen bei Schwangerschaftsbeginn bereits eine Parodontitis haben, dann kann sie schlimmer werden, wegen der überschießenden Endzündungsreaktion, bedingt durch die Geschlechtshormone.“

Bei 67–100 % der schwangeren Frauen entwickelt sich eine Schwangerschaftsgingivitis. Die erhöhte Entzündungsreaktion bei schwangeren Frauen wird vor allem durch den erhöhten Sexualhormonspiegel hervorgerufen.

Zwar gibt es einige Unterschiede zwischen den Studien, aber die Prävalenz der Schwangerschaftsgingivitis ist nachgewiesenermaßen hoch. „Der Bereich liegt demnach zwischen 67 und 100 %“, schätzt Frau Professor Geisinger. „Also irgendwo im Bereich von eine Menge Menschen, die schwanger sind“, fügt sie ein wenig humorvoll an. Dies ist signifikant höher als in der Gesamtbevölkerung.

Die Parodontalerkrankung und ihr Einfluss auf die Schwangerschaft

Bahnbrechende Forschungsarbeiten, die vor wenigen Jahrzehnten von Professor Steven Offenbacher an der University of North Carolina in Chapel Hill durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Schwangerschaft und Parodontalerkrankung nicht nur in eine Richtung verläuft. Professor Madianos: „Die klinischen Studien, die wir in Chapel Hill durchgeführt haben, zeigen, dass bei Föten, die eine Antikörperreaktion gegen parodontale Pathogene hatten, eine viel höhere Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt oder ein niedriges Geburtsgewicht bestand. Dies lässt darauf schließen, dass Bakterien sich aus der parodontalen Tasche herausbewegen können und sogar die fötal-plazentare Einheit erreichen können, wo sie lokale Entzündungsreaktionen auslösen oder den Fötus auch direkt infizieren können.“

Professor Geisinger erklärt weiter: „Diese sogenannten Bakteriämien sind tatsächlich proportional zum Grad der Entzündung, nicht unbedingt zum Grad des klinischen Attachmentverlusts. Die Schwangerschaft könnte also diese Bakteriämien verstärken, weil sie die Entzündung verstärkt.“ Professor Madianos fährt fort: „Außerdem ist – im Gegensatz zu früheren Vorstellungen – die Plazenta nicht steril. Tatsächlich besitzt sie ihr eigenes Mikrobiom, und dieses ist – wenig überraschend – dem oralen Mikrobiom sehr ähnlich.“

Parodontitis kann den Ausgang einer Schwangerschaft negativ beeinflussen. Orale Bakterien können aus der parodontalen Tasche heraus zur Plazenta wandern, wo sie lokale Entzündungsreaktionen verursachen oder den Fötus auch direkt infizieren können.

Hinsichtlich der Epidemiologie gibt es wiederum widersprüchliche Ergebnisse zwischen verschiedenen Studien. So scheinen einige prädisponierende Faktoren eine Rolle zu spielen, beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit und der Zugang zur Pflege. Professor Geisinger ergänzt: „Es ist auch wichtig zu beachten, dass in Fallkontrollstudien bei den Kontrollgruppen ein signifikantes Entzündungsniveau in Form der Gingivitis vorliegen könnte, welches aber immer noch als Nicht-Parodontitis angesehen wird.“ Dies könnte die Studienergebnisse potenziell „verwässern“.

Parodontale Behandlung während der Schwangerschaft

In Anbetracht der Rolle der Entzündung und Bakteriämie, könne man eventuell erwarten, dass die Bekämpfung der Entzündung durch Behandlung der Parodontalerkrankung sich günstig auf den Schwangerschaftsausgang auswirken würde. Professor Madianos: „Es gab Studien, die untersucht haben, wie die Parodontaltherapie den Ausgang der Schwangerschaft verbessern könnte. Frühe Studien in kleinerem Maßstab waren auch vielversprechend und ergaben eindeutige Abnahmen bei den unerwünschten Ergebnissen einer Schwangerschaft. Danach konnte dies in größeren Studien nicht immer reproduziert werden; das jedoch könnte beispielsweise durch die Wirksamkeit der tatsächlichen Parodontalbehandlung erklärt werden. Die Studien, die eine größere Reduktion der parodontalen Entzündung gezeigt haben, d. h. ein besseres Ergebnis der Parodontalbehandlung an sich, waren hinsichtlich der Reduktion der nachteiligen Schwangerschaftsausgänge besser. Eine weitere Erklärung ist der Zeitpunkt der Behandlung. Die meisten Interventionen fanden im zweiten Trimester und danach statt, was etwas zu spät gewesen sein könnte.“ Professor Geisinger zu ihrer eigenen Erfahrung aus einer der klinischen Studien die sie durchgeführt hat: “Die Reduzierung der Zahnfleischentzündung und die Veränderung des dysbiotischen Biofilms sind von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört, dass die Behandlung bis zu einem bestimmten Endpunkt durchgeführt wird, dass der Zeitpunkt der Behandlung richtig gewählt wird und dass sichergestellt wird, dass die Patientinnen die häusliche Mundpflege optimal durchführen können.“

Die Parodontalbehandlung während der Schwangerschaft ist sicher und wirksam. Eine wirksame Parodontalbehandlung könnte sich positiv auf die Schwangerschaftsergebnisse auswirken.

Wie bereits erwähnt, sind schwangere Frauen aufgrund der erhöhten Konzentration der Geschlechtshormone anfälliger für eine Entzündung. Das wirft die Frage auf, ob die Parodontalbehandlung auch im Hinblick auf die oralen Behandlungsergebnisse wirksam sein kann. Professor Geisinger versichert: „Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Wenn vor wenigen Jahrzehnten eine Frau schwanger wurde, sagte der Zahnarzt zu ihr: ,Wir sehen uns in 9 Monaten wieder.‘ Heute wissen wir, dass die Mundpflege von kritischer Bedeutung ist.“ Auch in klinischen Studien von Professor Geisinger war die Parodontalbehandlung wirksam: „Wir konnten alle parodontalen Parameter signifikant reduzieren: Sondierungstiefe, Gingivaindex, Plaqueindex klinischer Attachmentlevel, sowie den Wert für die entzündete parodontale Oberfläche.“

Zusammenarbeit zwischen Zahnmedizin und Pränatal Medizin

Aufgrund dieser angehäuften Erkenntnisse wäre zu erwarten, dass die Frauen bereits eine optimale Mundpflege während der Schwangerschaft erhalten. Professor Geisinger macht deutlich, dass dies nicht wirklich der Fall ist, zumindest nicht für die Vereinigten Staaten: „Daten zeigen, dass nur 60 % der Frauen während der Schwangerschaft eine Prophylaxebehandlung erhalten. Wenn sie sich jedoch der Bedeutung der Mundgesundheit bewusst sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, um 40 % höher.“ Nach Ansicht von Professor Madianos ist die Situation in Europa nicht viel besser: „Abgesehen von vielleicht einigen skandinavischen Ländern, glaube ich nicht, dass – insgesamt betrachtet – irgendwo ein besonderes System der präventiven Mundpflege besteht.“

Das heißt, auch wenn die Dringlichkeit einer guten Mundgesundheit offensichtlich ist, kann die Zusammenarbeit zwischen dem zahnärztlichen Team und den Mitgliedern des Pränatalteams definitiv verbessert werden. Professor Geisinger schlägt unkomplizierte Maßnahmen vor: „Wenn eine erst seit Kurzem schwangere Patientin zu einem Termin in die Gynäkologie, zum Hausarzt oder zur Hebamme kommt, durchläuft sie eine bestimmte Abfolge von Untersuchungen (Screening). Eine der Fragen auf der Checkliste sollte sein: Wann waren Sie zum letzten Mal beim Zahnarzt? Dies könnte eine kritische Komponente sein, um sicherzustellen, dass wir eine Patientin so früh wie möglich in der Schwangerschaft zu sehen bekommen.“ Weiter führt sie aus: „Wir sollten zudem dafür sorgen, dass Frauen, die eine Schwangerschaft planen, ebenfalls entsprechend aufgeklärt werden, um sicherstellen, dass sich auch um ihre Mundgesundheit gekümmert wird.“

Nur 60 % der schwangeren Frauen erhalten eine präventive Zahn- und Mundpflege. Nach dem Zahnarzttermin zu fragen, sollte zum Standard-Untersuchungsprogramm (Screening) beim Gynäkologen gehören.

Schwangerschaft als Chance für eine dauerhafte positive Verhaltensänderung

Glücklicherweise ist die Schwangerschaft nicht nur eine herausfordernde Phase im Leben. Sie kann, so Frau Professor Geisinger, vom zahnärztlichen Team als eine einmalige Chance genutzt werden: „Eine positive Verhaltensänderung während der Schwangerschaft ist wirklich eine entscheidende Gelegenheit. In der Schwangerschaft ist es sehr wahrscheinlich, dass positive Verhaltensänderungen von den Patientinnen umgesetzt werden.  So sind beispielsweise die Raucherentwöhnungsraten zwei- bis dreimal höher als in anderen Lebensphasen und Patientinnen, die während der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufhören, bleiben auch mit höherer Wahrscheinlichkeit Nichtraucherinnen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, unsere Patientinnen über den Nutzen der häuslichen Mundhygiene aufzuklären, könnte dies einen lebenslangen Effekt haben. Schwangere haben ungefähr sechs bis neun Monate Zeit, in denen sie schwanger sind, um diese positiven Angewohnheiten zu verfestigen.“

Schwangerschaft ist eine Zeit in der Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine positive Verhaltensänderung vornehmen – sie ist eine einmalige Chance für die Mutter und das Kind.

„Wir wissen auch, dass eine bessere Mundhygiene bei der Mutter mit einer verringerten Kariesrate in früher Kindheit bei ihrem Nachwuchs assoziiert wurde“, ergänzt sie. „Die Auswirkung ist wirklich enorm, wenn wir Schwangerschaft als eine Chance für diese Änderungen betrachten.“

Wenn Sie daran interessiert sind, mehr über dieses Thema zu erfahren, können Sie das Webinar hier noch einmal in voller Länge anschauen. 

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